Medizinstudium – Wie „überlebte“ ich den Präp- und Situskurs?

Wer sich auf das Medizinstudium freut, der hat sich sicherlich schon mal gefragt, was ihn denn erwartet. Eines der ersten Hürden ist der Präparierkurs. In diesem Artikel berichte ich euch etwas über meine Erfahrungen.

Erster Eindruck

Als Ersti in meiner Uni wurde ich schon nach zwei Wochen ins kalte Wasser geworfen. Der Präparierkurs sollte nämlich direkt beginnen. Dabei hatte ich doch noch gar nichts wirklich über den menschlichen Körper gelernt! Das Ganze hat mir in der Nacht davor Sorgen bereitet, da ich nicht wusste was mich erwartet und Google hat mir auch nicht weitergeholfen. Alles was man hört ist immer, dass es so doll stinkt, dass einem schlecht wird und auch einige schon in Ohnmacht gefallen sind. Das wäre schon peinlich gewesen und hat nur zu meiner Nervösität beigetragen.

Am Tag X wurden wir erstmal in Gruppen den Leichen, Dozenten und Hiwis zugeteilt und unser Dozent strahlte eine unheimliche Menge an Autorität aus. Ich wollte also auf keinen Fall versagen. Nach einer kurzen Sicherheitseinführung sollten wir auch schon direkt loslegen. Alle sichtlich nervös und ohne Ahnung grinsten wir uns unsicher an. Mit dem Skalpell sollten wir die Haut abpräparieren. Zum Glück war das für mich nicht das erste Mal, dass ich eine tote Person gesehen habe, aber die Idee ihm die Haut abzuziehen war dennoch etwas komisch. Unsere Hiwi war zum Glück sehr hilfsbereit und hat uns allen nacheinander auf die Sprünge geholfen. Am Ende des Tages wurden wir noch in jeweilige Präpgebiete eingeteilt (ich bekam Oberschenkel- und Glutealregion) und schon war das erste Mal vorbei. So schlimm war es dann doch nicht und der Geruch war durchaus ertragbar.

Tipps für das Präparieren

  • Zur Beruhigung kann man sich Lavendelöl oder Ähnliches kaufen und unter die Nase schmieren. Das überdeckt den Geruch von Formaldehyd.
  • Die Person sieht durch das Einlegen nicht mehr so aus wie eine Leiche, sondern mehr wie eine Puppe. Der Gedanke hat mir sehr dabei geholfen das Präparieren nicht als komisch zu empfinden.
  • Klingt blöd, aber: Keine Angst davor haben den/die Hiwi oder auch den/die Dozent/in zu fragen, wie man am Effizientesten präpariert! Hiwis finden das meistens süß und Dozenten freuen sich über das Interesse.
  • Unbedingt mit Leuten, die du nett findest an einen Präptisch gehen. Chancen stehen gut, dass du mit ihnen für den Rest des Präpkurses an einem Tisch bleibst. Freunde wirken vor der Prüfung doch sehr beruhigend
  • Versuch die Präpanleitung mitzulernen. Dadurch stellt sich nicht mehr immer die Frage, ob man Bindegewebe oder einen wichtigen Nerv wegpräpariert. Außerdem beeindruckt zusätzliches Wissen den Prof und schützt dich vor einer Rüge.

Das erste große Testat: Knochentestat

Bis zum Knochentestat war das Präparieren mehr gruselig als eine Freude. Man sollte Sachen präparieren von denen man wenig Ahnung hatte, weil das nicht zum Testatstoff gehörte und die Chance was vor dem Dozenten erklären zu müssen war leider auch nicht so gering. Zudem fiel mir das Lernen aus dem Prometheus zunächst schwer. 300 Seiten bis Dezember zu lernen schien mir anfangs noch völlig unmöglich, aber mit der Zeit erhöhte sich auch mein Lerntempo und die Zuversichtlichkeit. Der Prometheus galt zu dem Zeitpunkt bei manchen bereits als Bibel und die Bibliothek als zweites Zuhause. Ich vom Typ schläfrig und prokrastinierend konnte mich nicht immer dazu aufraffen in der Bib zu lernen und lernte lieber nachts zu Hause.

Das erste große Testat vor dem alle Angst hatten war das Knochentestat bzw. alles über den passiven Bewegungsapparat: Knochen, Bänder, Gelenke + allgemeine Anatomie. Die Zeit vor der Prüfung durften wir noch Präparieren, was eine echt gute Ablenkung war, und irgendwann im Verlaufe des Tages würden wir dann aufgerufen werden. Natürlich habe ich auf einen netten Prüfer gehofft, dem ich ein gutes Thema runterbeten konnte. Ungefähr so verlief es dann auch: Wir wurden zu viert hereingerufen, ich sollte in der allgemeinen Anatomie erst alle Gelenke zeichnen und was dazu erzählen und dann nochmal einen Überblick über das Kniegelenk an einem Plastikmodell geben. Ich habe der Prüferin alles was ich wusste schnellstmöglich erzählt und bestanden. Die Euphorie daraufhin war absolut unermesslich.

Tipps zum Lernen und den Testaten

  • Lernplan aufstellen: Ich habe nach Seitenanzahl gelernt (10/Tag). Man könnte sich aber auch alles in Themen aufteilen.
  • Lernformen ausprobieren: Erstmal musste ich herausfinden wie ich am besten lerne. Mir hat es geholfen in verschiedenen Farben alles anzumarkieren und es dann zusammenzufassen. Somit war ich schneller als manch andere, die es direkt intensiv gelernt haben. Daraus folgt:
  • Nicht mit anderen vergleichen: Jeder hat sein eigenes Lerntempo, man macht sich nur verrückt wenn man sich mit den Besten vergleicht. Ein Rivale ist allerdings nicht schlecht.
  • Pausen machen: Ja, viele Seiten = viel Stress, aber um konsequent gut lernen zu können, muss man sich auch mal am Abend mit Freunden treffen, ansonsten macht man sich verrückt!
  • Eigenstudium nutzen: Meistens wird einmal die Woche ein Eigenstudium angeboten, an denen man sich trainieren kann. Ich empfehle es sich mit Kommilitonen zusammen zu setzen, irgendwelche Gelenksmodelle zu holen und sich gegenseitig abzuprüfen. Falls man aber das Gefühl hat noch nicht so weit im Stoff zu sein, sollte man auch keine Zeit im Eigenstudium verschwenden!
  • Allgemeine Anatomie nicht vergessen: Heißt genau was es sagt. Eine Woche ist eventuell etwas knapp für die ganzen Themen
  • Strukturiert vorgehen: Zuhause schon mal üben, den Monolog zu strukturieren. Am Beispiel Kniegelenk: Art des Gelenks -> artikulierende Knochen -> Gelenkflächen und Knochenpunkte -> Bänder -> tiefergehende Informationen / ausweichen auf ein anderes Thema
  • Dozenten sind auch nur Menschen: Auch sie hören nicht immer zu 100% zu. Den ganzen Tag müssen sie Studenten auf dieselben Themen prüfen, haben kaum Zeit für eine Pause und sind irgendwann fertig. Rede sie voll, sei dabei SELBSTBEWUSST und schon hast du die halbe Miete.
  • Ernst, aber nicht zu ernst: Im Testat durchzufallen heißt gar nichts. Es gibt genügend Studenten, die durchgefallen sind und trotzdem tolle Ärzte wurden. Aufstehen und weitermachen!

Die Extremetitätentestate

Nach 2 Wochen Winterpause ging es auch schon direkt weiter. Als nächstes war das Testat über die obere Extremitäten + Bauchwand dran und danach die unteren Extremitäten + Rückenmuskulatur. Da ich nun endlich erkannte was ich präparierte, fiel mir das auch viel leichter. Inzwischen hatte ich mich daran gewöhnt, wenn es etwas „handgreiflicher“ wurde und ich den Muskel mit der Hand packen musste. Den Präpbereich Oberschenkel habe ich nämlich auch nach der Körperwende nie verlassen. Immerhin waren die Strukturen immer groß genug, um nichts falsch zu machen, ich kann das also nur weiterempfehlen.

Eine neue Herausforderung stand in den Testaten bevor: Die Topographie. Wir mussten also nicht nur alles auswendig können,  sondern auch am Körper zeigen. Sei vorgewarnt: Es sieht nie aus wie im Prometheus. Zu allem Überfluss wurde man dann auch noch an einer „fremden“ Leiche geprüft. Das Eigenstudium war hier also von enormer Bedeutung, da man sich dort immer wieder den genauen Aufbau des z.B. Plexus brachialis zu Gemüte führen konnte. Letztlich waren die Testate aber sehr viel entspannter als gedacht. Die Rotatorenmanschette war sehr dankbar in OEx, weil es viele Möglichkeiten bot, andere umliegende Gebiete zu erklären und in UEx war die Glutealregion und der Oberschenkel mein Präpgebiet.

Der Situskurs

Der absolute Killer kam dann in einem 4 wöchigen Intensiv-Situskurs, in dem es um die inneren Organe und anschließend um den Kopf-Hals (Neuroanatomie ausgeschlossen) Bereich geht. In der Zeit sollte man anderthalb Bänder des Prometheus auswendig lernen. Das bedeutete für mich, um im Plan zu bleiben, ca. 20-30 Seiten am Tag zu lernen. Dadurch verging die Zeit wie im Flug. Meist bestand der Tag aus Vorlesung, Präpkurs, lernen und schlafen. Selbst durfte ich kaum noch präparieren, stattdessen gab es von Hiwis gehaltene Demonstrationen. Eigenstudium fand hauptsächlich während des Kurses statt. Im Situs-Testat bekam ich dann die Herzkranzgefäße und den männlichen Geschlechtstrakt als Thema und bei Kopf-Hals den Plexus Cervicalis und fast alles rund um den 7. Hirnnerv, den Nervus facialis. Ich kann hierbei niemandem empfehlen vor dem Testat riskante Gerichte zu essen, eine Lebensmittelvergiftung wirkt sich doch relativ negativ auf ein Testat aus.

Fazit

So sehr nun alles anstrengend und schrecklich klingt, so war es auf der anderen Seite auch wirklich cool! Ich bin sehr dankbar dafür, dass der Kurs in meiner Universität angeboten wurde. Es war eine wirklich großartige Erfahrung und ich habe sehr sehr vieles gelernt. Zudem hat sich die Freundschaft am Tisch sowie mit Lernpartnern zusammengeschweißt! Auch unser Dozent war nicht annähernd so streng wie erwartet, sondern erwies sich als wirklich nett, lehrfreudig und auch etwas sarkastisch. An den Erstitagen haben uns unsere  Dritties eingetrichtert: „Man denkt immer man schafft es nicht, aber irgendwie geht es dann doch.“ Ich kann bestätigen, dass alles in diesem Satz wahr ist. Man schafft es am Ende immer!

Über Stefan Gunawan

Stefan ist 23 Jahre alt und ein Redakteur bei E4SY: Er studiert im Moment Medizin. Seine Freizeit verbringt er gerne mit Bouldern, Klavier/Gitarre spielen und Gaming.

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