Trotz bestehender Gesetzesbeschlüsse ist für viele Behördendienstleistungen immer noch ein physischer Termin vor Ort vonnöten. Das OZG 2.0 sollte als Nachfolger des OZG Nachhilfe schaffen, wurde allerdings im Bundesrat gestoppt. Die fortschreitende Digitalisierung der deutschen Behörden wird somit weiter beschränkt.
Das gescheiterte OZG
Dass ein Gesetz mit dem Titel „2.0“ existiert, kann zwei Gründe haben: Entweder war der Vorgänger ein voller Erfolg oder eben das genaue Gegenteil. Zwar ist das Onlinezugangsgesetz (OZG) aus dem Jahr 2017 kein voller Reinfall. Die gesetzten Ziele hat es trotzdem nicht erfüllt. 575 Dienstleistungen wurden damals für Bund, Länder und Kommunen identifiziert, die es zu digitalisieren galt. Für den Bund wurden 115 Verwaltungsleistungen identifiziert, die nach dem Bundesinnenministerium nahezu alle umgesetzt worden sind. Die Länder und Kommunen allerdings hinken hinterher. Jede Verwaltungsleistung muss letztendlich von jedem Bundesland umgesetzt werden.
Dabei gibt es für jeden identifizierten Themenbereich, 14 insgesamt, ein federführendes Bundesland. Die anderen Länder können die umgesetzte Leistung nachnutzen, müssen dies allerdings nicht. So haben sich z. B. die Bundesländer Bayern und Hamburg beschlossen, die Online-Beantragung eines Führerscheins aus dem hessischen Themenfeld „Mobilität & Reisen“ nicht nachzunutzen. Wie die 294 Kreise und 10.994 Gemeinden (Stand 31.12.2021) an die Verwaltungsleistungen angebunden werden, ist je nach Leistung und Bundesland unterschiedlich.
Kritik am OZG gibt es reichlich. Nicht zuletzt sogar vom Bundesrechnungshof (BRH). Dieser kritisiert neben der Nichtabrufung von Fördergeldern, begründet in einer verspäteten Bereitstellung durch das BMI), die intransparente Darlegung des Umsetzungsstandes. In dem vorliegenden Bericht des BRH wird aufgeführt, dass lediglich 19 Prozent der digitalisierbaren Verwaltungsleistungen in digitaler Form verfügbar sind. Bund und Länder waren bis Ende 2022 in der Lage, vier Prozent ihrer digitalisierbaren Verwaltungsleistungen in digitaler Form den Bürgern zur Verfügung zu stellen. Zudem wird von Bund und Ländern eine Verwaltungsleistung häufig bereits dann als online verfügbar gewertet, wenn diese in nur einer einzigen Kommune tatsächlich angeboten wird. Der tatsächliche Digitalisierungsgrad ist daher noch deutlich niedriger als angenommen.
OZG 2.0
Das OZG 2.0, welches als bedeutende Weiterentwicklung der Digitalisierung öffentlicher Dienstleistungen in Deutschland angesehen wurde, hatte bereits nach einer langen und oft schwierigen Diskussion die legislative Phase durchlaufen. Das Gesetz dient hierbei als Änderungsgesetz des Onlinezugangsgesetzes. Es wird somit keine zwei Gesetze nebeneinander geben. Es wird vielmehr eine Konkretisierung und Ergänzung des bestehenden Gesetzes geben. Obwohl das Gesetz im Deutschen Bundestag zunächst auf Zustimmung stieß, wurde es im Bundesrat kritisiert und schließlich abgelehnt. Ab dem Jahr 2026 sollten die Änderungen, die sich aus dem Onlinezugangsgesetz 2.0 ergeben, technisch zur Verfügung stehen. Ab 2028 wäre es dann für die Kommunen verpflichtend.
Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser zeigte sich nach der positiven Abstimmung im Bundestag zunächst noch positiv:
Ich freue mich sehr, dass der Bundestag heute unser neues Onlinezugangsgesetz beschlossen hat. Das ist ein wichtiges Upgrade für ein digitales Deutschland. Für Unternehmen wird es in Zukunft nur noch digitale Anträge geben. Für alle Bürgerinnen und Bürger gibt es ein zentrales Bürgerkonto – die BundID. Besonders wichtig ist mir, dass wir die Zettelwirtschaft beenden und Bürgerinnen und Bürgern, wo immer es möglich ist, den Gang zum Amt ersparen. Mit digitalen Abrufen aus Registern und einer digitalen Lösung für die händische Unterschrift sind wir da einen großen Schritt weitergekommen. So machen wir das Leben einfacher und digitaler. Und wir stärken die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland.
Im groben Überblick bietet das OZG 2.0 allerdings keine Neuerungen: Sowohl ein Bürgerkonto, das Once-Only-Prinzip oder digitale Anträge sollten bereits das OZG aus dem Jahr 2017 mit sich bringen. Das OZG 2.0 konkretisierte diese Aspekte allerdings. So würde ein Benutzerkonto direkt vom Bund gestellt werden, anstatt durch einen „Kontoverbund“ mehrere Länder. Das Once-Only-Prinzip wurde im Gesetz um eine Generalklausel sowie Datenschutzregelungen ergänzt. Schlussendlich würden ebenfalls Basisdienste, etwa für digitale Anträge, vom Bund bereitgestellt werden.
Daneben gibt es ebenfalls komplett neue Ergänzungen: Ein „Datenschutzcockpit“ zur Überwachung der abgerufenen Daten oder „Digital-Only“-Dienstleistungen für Unternehmen. Am meisten sticht hierbei allerdings das Recht auf einen elektronischen Zugang zu Verwaltungsleistungen heraus. Durch die Ausgestaltung des OZG 2.0 könnten Bürger oder Kunden gegen eine Behörde klagen. Sollte sie dieser Anforderung nicht nachkommen. Dies gilt allerdings nicht für Dienstleistungen, bei denen ein digitaler bzw. elektronischer Zugang nicht möglich ist.
Berechtigte Gründe zur Ablehnung des OZG 2.0?
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der Gesetzesentwurf die Länder und Gemeinden in unangemessener Weise finanziell, technisch und rechtlich belastet, ohne dass eine hinreichende Klarheit und Mitbestimmung gewährleistet ist, und dass der Gesetzesentwurf die Länder und Gemeinden in unangemessener Weise finanziell, technisch und rechtlich belastet, ohne dass eine hinreichende Klarheit und Mitbestimmung gewährleistet ist. Zur Sicherstellung der Kooperation und einer gerechten Lastenverteilung wird eine grundlegende Überarbeitung gefordert.
Der Bundesrat kritisiert zunächst den Rückzug des Bundes aus der Finanzierung der Digitalisierung der Verwaltung, was zu einer ungerechten Lastenverteilung zwischen Ländern und Kommunen führe, und fordert eine Neuberechnung des Erfüllungsaufwandes, da die Kosten für die kommunale Ebene nicht angemessen berücksichtigt worden seien. Darüber hinaus fordern sie klare Regelungen für die Finanzverwaltung, um Rechtssicherheit zu gewährleisten, und lehnen eine Anwendung des Gesetzes auf diesen Bereich ab. Auch hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz und der Umsetzung neuer IT-Regelungen wie dem IT-NetzG und dem Datenschutzcockpit bestehen fachliche und rechtliche Bedenken. Schließlich bemängelt der Bundesrat die unzureichenden Beteiligungsrechte der Länder und kritisiert die Umgehung des IT-Planungsrates sowie den einseitigen Rückzug des Bundes aus der Finanzierung, was zu einer zentralistischen Konzentration der Regelungskompetenzen beim Bund führe.
„Das Gesetz will dem Bund eine einseitige Festlegung aller für die Umsetzung erforderlichen Standards erlauben, und zwar ohne wirksame Einbeziehung des IT-Planungsrats und der fachlichen und technischen Expertise aus Ländern und Kommunen. So kann das nicht funktionieren.“ kritisierte unter anderem Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistages.
Und wie wird Deutschland jetzt digital?
Bundesinnenministerin Nancy Faeser zeigt sich weiterhin optimistisch und kompromissbereit unter den Gesichtspunkten der Ablehnung durch den Bundesrat:
„Ich werde dem Kabinett vorschlagen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Ich bin bereit, konstruktiv weiter zu verhandeln, weil unser Land mehr digitalen Fortschritt braucht. Mit der OZG-Reform wollen wir Amtsgänge einsparen und die Zettelwirtschaft beenden. Für Unternehmen hätte unser Gesetz vollständig digitale Verfahren bedeutet und der Wirtschaft damit viel Bürokratie erspart. Es gibt durch die heutige Entscheidung keinen Rechtsanspruch auf digitale Leistungen des Bundes. Auch weitere Verbesserungen, die wir vorgeschlagen haben, kommen noch nicht. Das schadet der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.“
Eines wird ersichtlich: Es braucht weiterhin Maßnahmen und Vorgaben, um die Digitalisierung in den deutschen Behörden voranzubringen. Die Ideen des OZG 2.0 zeigen richtige Ansätze, sind aber in der Ausgestaltung, insbesondere der finanziellen, verbesserungsfähig. Die Regel- und Standardsetzer müssen viel stärker als bisher an die Praktikabilität ihrer Vorgaben denken und die Kommunen ernsthaft einbeziehen. Dabei müssen sie sich ebenfalls von überzogenen Standards verabschieden und frühzeitig Planungssicherheit in allen Belangen schaffen. Die Kommunen müssen sich darauf verlassen können, dass einmal getroffene Entscheidungen auch Bestand haben und Planungen nicht mit dem Ende von Legislaturperioden oder der Amtszeit eines Bürgermeisters enden. Auf der anderen Seite gilt es für die umsetzende Seite, lokale Sonderregelungen hinter sich zu lassen.