Buchrezension: Tradingpsychologie von Norman Welz

Buchrezension: Tradingpsychologie von Norman Welz

Lohnt sich das Buch „Tradingpsychologie – So denken und handeln die Profis“ von Norman Welz? Ich habe es mir für euch angeschaut und verrate euch in dieser Rezension, ob sich ein Kauf lohnt.

Viele Trader halten nicht viel von „Börsenpsychologie“. Vielleicht haben sie auch schon das eine oder andere Buch zu diesem Thema gelesen und hinterher festgestellt, dass es nichts genützt hat. Mit diesem Buch könnte das allerdings anders ausgehen, denn es unterscheidet sich erheblich von seinen Artgenossen. Man findet in ihm keinen der üblichen Sprüche wie „Traden Sie emotionslos!“ oder andere scheinbar geniale Weisheiten, die sich beim ersten Nachdenken über sie als hohl erweisen, weil man nicht erklärt bekommt, wie man sie eigentlich praktisch umsetzen soll.

Norman Welz wählt einen ganz anderen Ansatz. Im Kern untersucht er ein Phänomen, das sich bei vielen Tradern leider zu oft wiederholt und sie entweder fast in den Wahnsinn oder in den Ruin treiben kann: Diese Trader verfügen über ein Handelssystem, das nachweislich profitabel ist. Sie können es aber selbst nicht profitabel handeln, weil sie immer wieder denselben dämlichen Fehler machen, ihn als solchen erkennen, Besserung geloben und ihn dann doch wiederholen. Ich komme darauf gleich zurück. „Trader scheitern in den meisten Fällen an sich selbst. Die mentalen Herausforderungen beim Trading sind immens groß und werden immer wieder unterschätzt.“ Das steht auf Seite 35, und jeder Trader wird das bedingungslos unterschreiben. Anfänger sind sich der wirklichen Herausforderungen nur selten bewusst, weil sie nicht wissen, dass sie sich auf eine Tätigkeit eingelassen haben, die sich enorm von allem unterscheidet, was sie bisher gelernt und erlebt haben. Fast alle Regeln und Standards, an die wir uns sonst halten und die uns schon von Kindesbeinen an eingebläut wurden, gelten hier nicht oder in anderen Maßstäben.

Welz macht das an einem ganz einfachen Beispiel deutlich: Professionelle Trader wissen, dass Verlusttrades zu einem erfolgreichen System einfach dazugehören. Anfänger haben damit jedoch enorme Probleme. Schon Wörter wie „Verlust“ oder „Fehltrade“ suggerieren in ihrem Unterbewusstsein, dass sie etwas unternehmen müssen. Dann suchen sie nach Lösungen, ändern Systeme, probieren Neues und das solange, bis sie ihr Konto versenkt haben oder frustriert aufgeben. Wenn Trader diese Phase durchgestanden haben und sich ihr Konto stabilisiert, tritt oft das oben beschrieben Szenario ein. Sie drehen sich im Kreis und können nie beständig Geld aus den Märkten ziehen. Oft häufen sie zahlreiche kleine Gewinne an, um sie dann mit einem dämlichen Trade wieder zu verspielen. Warum ist das so?

Wie keine andere Tätigkeit fördert das Trading die psychische Konstellation eines Menschen an die Oberfläche. Man steht sich selbst nicht selten fassungslos gegenüber und begreift das eigene Handeln nicht. Anderswo kann man Entschuldigungen suchen oder sich herausreden. Hier geht das nicht. Man handelt einen Markt, der sich nicht für einen interessiert, und man sieht das Ergebnis am Kontostand. Ehrlicher geht es nicht. Und das macht die Sache so hart. Welz erklärt die Mechanik des Leidens auf eindrucksvolle Weise. Und diese Erklärung hat mit dem Trading eigentlich nichts zu tun. Man kann sie auf fast alle mentalen Probleme übertragen, die uns das Leben schwer machen. Wir tragen in uns Programme, die installiert wurden, als wir uns dagegen noch nicht wehren konnten. Oft kennen wir diese Programme nicht.

Im Buch findet man dazu einige Beispiele aus der Praxis des Autors als Tradingcoach, die vielen Tradern nicht unbekannt sein dürften. Doch wir werden von diesen inneren Programmen gesteuert, so Welz. Sie verführen uns unbewusst, aber teuflisch konsequent zu Handelsfehlern, die wir kennen und vermeiden wollten, sie aber dennoch wiederholen. Solange wir ihre wirkliche Ursache nicht herausfinden, bleiben wir in diesem diabolischen Kreis gefangen, denn jede Wiederholung schleift die falsche Handlung noch tiefer ein. Haben wir diese Mechanik erst einmal verstanden und einen theoretischen Ausweg gefunden, dann hilft nur noch unser letzter verbliebener wirklicher Freund, die Selbstdisziplin.

Nur wenn es uns gelingt, die alten Programme zu überspielen indem wir neue Programme im Unterbewusstsein durch permanentes diszipliniertes Wiederholen implementieren und vertiefen, haben wir eine wirkliche Chance, aus der Falle zu entkommen. Welz beschreibt diesen Ausweg detailliert. Natürlich kann ein Buch keine Lösungen spezieller Probleme einzelner Menschen anbieten. Selbst ein gutes wie dieses nicht. Mentale Probleme sind viel zu individuell, als dass sie mit einem Text, der sich an eine Allgemeinheit richtet, gelöst werden könnten. Aber Welz zeigt wenigstens einen Weg, wie man die Ursachen der ständigen Selbstsabotage finden und auch wie man sie möglicherweise beseitigen kann.

Der Text liest sich sehr gut. Der Autor hat selbst einschlägige Erfahrungen mit den Höhen und Tiefen des Börsenhandels gesammelt und sich offenbar intensiv mit ihnen auseinandergesetzt. Entsprechend authentisch wirkt dieses ungewöhnlich informative und hilfreiche Buch. Wenn ihr das Buch spannend findet und unser Magazin ohne zusätzliche Kosten unterstützen möchtet, findet ihr es hier auf Amazon.

Über Tim Senger

Tim ist Leiter und Chefredakteur von E4SY. 2013 ist er das erste Mal jour­na­lis­tisch für ein Spielemagazin aktiv geworden. Momentan absolviert er zudem ein duales Studium im Bereich Wirtschaft.

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