Warum Macron alles richtig macht und trotzdem verlieren wird Emmanuel En Marche EU Frankreich

Warum Macron alles richtig macht und trotzdem verlieren wird…

Frankreich hat viele Probleme und mit der Wahl von Emmanuel Macron sowie seiner Partei La République En Marche wurde ihm vom Volk die Bärenaufgabe aufgetragen, diese Probleme zu lösen.

Keiner kann sagen, dass Macron untätig ist. Schon an seinem ersten Amtstag wurden erste Reformen ausgearbeitet. Insgesamt 14 große Reformpakte brachte er in seinem ersten Amtsjahr auf den Weg. Was genau diese Reformen bedeuten und welche Wirkungen sie haben, möchte ich in diesem Artikel darstellen.

Was hat Macron reformiert oder wird er noch reformieren?

Im vergangenen Jahr trat das neue Arbeitsrecht in Kraft, welches nun Spielraum für Verhandlungen und Vereinbarungen auf betrieblicher Ebene bietet. Anders als bisher können Arbeitsverträge nun ohne einen Sozialplan verändert werden.

Abgeschafft ist die Vermögensteuer auf so gut wie alle Werte außer auf Immobilien. Bei der Besteuerung von Kapitalerträgen hat Macron eine Flat-Tax von 35 Prozent eingeführt. Ein weiteres Signal hat der Präsident an die Anleger gesandt: Die Unternehmenssteuer senkte er schrittweise von derzeit 33,3 Prozent auf 25 Prozent, die im Jahr 2022 erreicht werden. Des Weiteren unterstützt Macron auch ausländische Anleger, indem er die Quellsteuer auf 12,8% senkte. Dies kommt auch deutschen Anlegern durch ein Doppelbesteuerungsabkommen zu Gute, weil jene 12,8% voll auf die deutsche Abgeltungssteuer anrechenbar ist.

Steuersenkungen sollen auch den Privathaushalten zugutekommen: In mehreren Jahresschritten wird für einen großen Teil der Haushalte die Wohnsteuer – sie macht immerhin bis zu einem Zehntel der Einkommensteuer aus – abgeschafft. 80 Prozent der Franzosen sollen davon profitieren. Teil der Gegenfinanzierung ist allerdings, dass der „Allgemeine Sozialbeitrag (CSG)“, eine steuerähnliche Sozialabgabe, erhöht wird.

Administrative Verfahren werden vereinfacht, ein entsprechendes Gesetz berät die Nationalversammlung derzeit. Eine Vielzahl von Genehmigungspflichten wird abgeschafft. Die Regierung nennt ihre Initiative „Recht auf Irrtum“: Der Bürger soll so nicht mehr mit Bußgeldern bedroht werden, wenn er sich im Verkehr mit der Verwaltung einen Patzer erlaubt.

In der Haushaltspolitik hat die Regierung durch einen Notstopp erreicht, dass das staatliche Defizit begrenzt werden konnte. Der Fehlbetrag mit 2,6 Prozent im Jahr 2017 liegt deutlich unter der zulässigen Schwelle von drei Prozent der Wirtschaftsleistung.

Auch das politische Leben wurde neu geordnet. Seit dem vergangenen Jahr ist es Abgeordneten beispielsweise untersagt, ihre eigenen Familienangehörigen zu beschäftigen. Die finanziellen Mittel, die sie frei vergeben konnten (was wiederum Korruption begünstigte), wurden abgeschafft.

Bei der Sicherheitspolitik hat Macron eine harte Gangart eingeschlagen: Zwar hat er den Ausnahmezustand, den sein Vorgänger François Hollande mehrfach verlängerte, beendet. Doch dafür wurden viele jener Bestandteile einfach in das reguläre Recht überführt.

Eher konservativ ist seine Linie auch beim Asyl- und Zuwanderungsrecht. Die Bestimmungen über die Rückführung von Flüchtlingen werden strikter, die Fristen für Einsprüche gegen eine Ablehnung kürzer und die Abschiebehaft kann deutlich verlängert werden. Das Gesetz steht kurz vor der Abstimmung, bislang ist das einzige Zugeständnis Macrons an die Menschenrechtsorganisationen, dass die Familienzusammenführung etwas erleichtert wird.

Eine umstrittene Veränderung ist die Bahnreform. Die Société nationale des chemins de fer français, kurz SNCF, soll in eine besondere Aktiengesellschaft umgewandelt werden, deren Anteile unveräußerlich beim Staat liegen. Sie erhält damit neue Spielräume. Der Bahnverkehr wird für den Wettbewerb geöffnet und der beamtenähnliche Status der „cheminots“ soll für alle neu Eingestellten entfallen. Im Gegenzug will die Regierung einen Teil der Schulden der SNCF übernehmen und sich verpflichten, deutlich mehr in das veraltete Netz zu investieren. Dagegen richtet sich der auf drei Monate angelegte Streik.

Macrons enger Vertrauter Julien Denormandie hat zudem eine Reform präsentiert, die den Bau von Wohnungen beschleunigen soll. Die für Sozialwohnungen (HLM) zuständigen Unternehmen können demnach leichter Wohnungen verkaufen, um neue Mittel für Bauten zu generieren. Die Kriterien für die Vergabe werden klarer und verbindlicher gefasst, das tatsächliche Einkommen der Mieter regelmäßig überprüft. Büros können leichter in Wohnungen umgewandelt werden und Plattformen wie Airbnb werden strikter reguliert.

Am 2. Mai legt Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire ein „Pacte“ genanntes Gesetz vor, das die Gründung und Finanzierung von Unternehmen vereinfachen soll. Vor allem den Klein- und Mittelbetrieben will die Regierung das Leben erleichtern. In Frankreich werden jährlich zwar viele Unternehmen neu gegründet, doch diesen fällt es häufig schwer, eine kritische Größe zu erreichen. Abschaffen will die Exekutive damit auch eine ganze Masse an Personalschwellen, bei deren Überschreiten auch Kleinunternehmen Gremien wie Hygieneausschüsse einrichten müssen. „Pacte“ enthält auch interessante Ansätze wie die Ausweitung der Unternehmensziele. Damit würde gesetzlich anerkannt, wenn ein Unternehmen nicht nur Gewinn machen will, sondern sich auch soziale Ziele setzt. Schon das Verfahren zur Erarbeitung des Entwurfs war innovativ: Jeweils ein Abgeordneter hat mit einem Unternehmer zusammengearbeitet.

Die vielleicht wichtigste Reform für die Senkung der Arbeitslosigkeit betrifft Aus- und Weiterbildung. Trotz neun Prozent Arbeitslosigkeit finden die Unternehmen bereits jetzt keine qualifizierten Arbeitskräfte mehr. Die Reform der Lehrlingsausbildung und der beruflichen Weiterbildung soll Abhilfe schaffen. „Wir wollen die Berufsausbildung näher an die Unternehmen rücken und attraktiver machen, beispielsweise durch eine bessere Entlohnung“, erläutert man im Amt des Premierministers. Derzeit zählt Frankreich weniger als 400.000 Auszubildende, dies entspricht ungefähr einem Drittel der deutschen Auszubildenden. Auch der Hochschulzugang wird neu geregelt. Bisher wurde quasi jeder Bewerber zugelassen, erst bei zu vielen Bewerbern entschied das Los. Mit zum Bildungspaket gehört auch die Reform des Bac (das französische Abitur): Die Note soll geringer von der zentralen Endprüfung abhängen, die auf weniger Fächer beschränkt wird, und mehr vom Schnitt der Oberstufe.

In der Gesundheitspolitik ist Macron ebenfalls reformfreudig: Die Arbeitsteilung zwischen Krankenhäusern und Arztpraxen will er verbessern und in den Kliniken, die über Arbeitsüberlastung und mangelnde Spielräume klagen, für bessere Abläufe sorgen. Insgesamt soll die Versorgung besser und schneller funktionieren. In den Krankenhäusern werde „teils zu recht geklagt“, sagte Macron vor wenigen Tagen mit Blick auf Kritik wegen Überlastung und zu viel Bürokratie.

In den nächsten Wochen wird die Regierung ihre Vorstellungen für die Umgestaltung des öffentlichen Dienstes vorlegen. Auch hier ist Ärger mit den Gewerkschaften absehbar, denn der Grundgedanke ist, mehr leistungsbezogene Bezahlung einzuführen und zu prüfen, welche Leistungen der Staat anbieten muss und welche auf Private übertragen werden könnten.

Auf 2019 verschoben hat Macron die Reform der Renten. Derzeit gibt es ein allgemeines Rentensystem und eine Vielzahl spezieller Systeme für die Altersvorsorge, wie bei der Bahn. Über zehn Jahre hin sollen sie alle zusammengeführt werden. Ziel ist, dass „es für jeden eingezahlten Euro dieselbe Leistung gibt“, so Macron. Auch hier steht Ärger ins Haus.

Der Platz reicht nicht aus, um alle Projekte Macrons vorzustellen, allein die für Europa füllen ein eignes Kapitel. Sein Tempo ist atemberaubend. Seit der Gründung der Fünften Republik hat kein Präsident das Land so energisch, rasant und gleichzeitig professionell vorangetrieben wie der politische Quereinsteiger.

Warum diese Reformen richtig und wichtig sind!

Ähnlich wie die Agenda 2010 von Schröder in Deutschland soll durch diese Reformen die Wirtschaftsleistung in Frankreich verbessert, Arbeitslosigkeit gesenkt und sozialer Aufstieg ermöglicht werden. Frankreich ist ein eher sozialistisches Land, welches schon lange unter vielen Regulierungen, einem unflexiblen Arbeitsmarkt und hohen Steuern leidet. Durch diese Reformen wird Frankreich für Unternehmer wieder attraktiver, wodurch es mehr Unternehmen nach Frankreich zieht und damit auch der relativ hohen Arbeitslosigkeit entgegensteuert. So haben auch bereits viele Finanzdienstleister angekündigt nach dem Brexit ihren Sitz nach Paris zu verlagern, wo sie doch früher mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ihren Sitz nach Deutschland, Luxemburg oder Niederlande verlegt hätten.

Auch durch die Reformen des Gesundheitswesens und des Sozialsystems kann langfristig die Versorgung und ihre Qualität verbessert werden.

Warum diese Reformen Macron trotzdem zum Verhängnis werden.

Gerade weil Frankreich ein stark sozialistisches Land ist, herrscht dort auch eine ganz andere öffentliche Meinung als in Deutschland. Des Weiteren haben die Gewerkschaften hier auch eine sehr große Macht. Jede Sekunde könnte ein Streik ausbrechen, weil eine der zahlreichen Gewerkschaften sich an einem neuen Gesetz reibt.

Aus jenen Gründen sind die wirtschaftsliberalen Gesetze nicht sonderlich beliebt in der französichen Bevölkerung. Eine Demonstration jagt die andere. Ein nicht unerheblicher Teil hält Macron für einen „kapitalistischen Ausbeuter“. Macron denkt vor allem langfristig in seinen Reformpaketen und nicht in Wahlperioden. Was eigentlich wünschenswert ist für einen Politiker, führt oft jedoch dazu, dass in der Bevölkerung erst viel später ankommt, welche positiven Effekte Reformen eigentlich gebracht haben. Gerade dieser Punkt wird bei der nächsten Wahl stark ins Gewicht fallen, wenn es darum geht, ob Macron wiedergewählt wird.

So kam es auch bei der Privatisierung der französischen Bahn zu heftigen monatelangen Streiks und Kritik durch die Gewerkschaften. Schlussendlich konnte sich Macron aber durchsetzen.

Um sich nicht als Liberalen darzustellen und damit das Risiko einzugehen von den Franzosen bevorurteilt zu werden, erwägt Macron auch eine eigene Fraktion im Europäischen Parlament nach der Europawahl 2019 zu bilden, statt sich der Allianz der Liberalen und Demokraten der Europäischen Union (ALDE) anzuschließen. Dies wiederum könnte die Reformstärke der EU schwächen. Denn ansonsten würde ALDE die drittgrößte Fraktion im Parlament stellen, welche die EU reformieren möchte.

Bildquelle: Jérémy Barande Ecole polytechnique Université Paris-Saclay, Emmanuel Macron École Polytechnique 2015-12-15, Maße angepasst von Tim Senger, CC BY-SA 3.0 DE
Quellen: Spiegel, Deutschlandfunk, Welt, Süddeutsche, Saarbrückener, Föderalist, HandelsblattWelt, Zeit, FAZ

Über Tim Senger

Tim ist Leiter und Chefredakteur von E4SY. 2013 ist er das erste Mal jour­na­lis­tisch für ein Spielemagazin aktiv geworden. Momentan absolviert er zudem ein duales Studium im Bereich Wirtschaft.

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