Pharmaindustrie fürchtet Kostenexplosion durch EU-Abwasser-Regeln

Bonn (dts Nachrichtenagentur) – Der geplante Umbau von Klärwerken in Deutschland könnte deutlich teurer werden als bisher angenommen. Davor warnt der Verband Pharma Deutschland und stützt sich dabei auf eine Analyse der Kostenkalkulationen früherer Projekte, über die die „Welt“ (Dienstagausgabe) berichtet.

Demnach seien die Umbaukosten von 25 kommunalen Klärwerken in den Jahren 2018 bis 2024 deutlich höher ausgefallen als das, was in den gängigen Kostenschätzungen zum geplanten Umbau bisher zugrunde gelegt werde. „Unser Realitätscheck macht einmal mehr deutlich, dass sich noch niemand ernsthaft mit den tatsächlichen Kosten für eine vierte Klärstufe in Deutschland beschäftigt hat“, sagte Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin von Pharma Deutschland.

Hintergrund ist die neue EU-Abwasserrichtlinie, die Anfang des Monats verabschiedet worden ist.

Diese sieht vor, dass Klärwerke in größeren Städten und in bestimmten gefährdeten Gebieten bis zum Jahr 2045 aufgerüstet werden müssen, um Mikroschadstoffe herauszufiltern und dadurch einen besseren Gewässerschutz zu gewährleisten. Pharma- und Kosmetikhersteller, dessen Produkte laut der EU hauptverantwortlich für die Mikroschadstoffe in den Gewässern sind, sollen mindestens 80 Prozent der Kosten für den Ausbau und Betrieb von Klärwerken dieser sogenannten vierten Reinigungsstufe tragen.

In Deutschland sind insgesamt 570 Klärwerke davon betroffen. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) hatte die zu erwartenden Kosten für den stufenweisen Umbau dieser Anlagen bis 2045 auf 8,7 Milliarden Euro beziffert. Die zusätzlichen Betriebskosten dürften bis dahin gestaffelt auf rund 860 Millionen Euro pro Jahr steigen.

Der Verband Pharma Deutschland, der die Interessen von rund 400 Unternehmen der Branche vertritt, kritisiert diese Angaben als zu gering. „Die Kostengrößen, die sich aus der Liste der untersuchten Klärwerksneubauten ergeben, legen Gesamtkosten nahe, die um ein Mehrfaches höher liegen“, heißt es in der internen Analyse.

Insgesamt hätten allein die 25 analysierten Projekte Baukosten von rund 460 Millionen Euro verursacht. „Lässt man alle anderen Faktoren unberücksichtigt, entstehen bei 570 zu erneuernden oder zu erweiternden Klärwerken Baukosten von rund 10,5 Milliarden Euro“, schreibt Pharma Deutschland.

In der Studie des VKU seien die Baukosten für alle betroffenen Klärwerke hingegen deutlich niedriger, mit rund vier Milliarden Euro, angesetzt worden. Pharma Deutschland rechnet dadurch in der Folge auch mit deutlich steigenden Kosten für die Arzneimittelproduzenten. Diese könnten „mindestens beim doppelten Betrag“ dessen liegen, was der VKU in seiner Prognose abbilde.

„Dass der VKU eine Kostenschätzung vorgelegt hat, die schon für Klärwerksprojekte aus den letzten Jahren zu niedrig angesetzt sind, erweckt den Eindruck, dass es nicht in erster Linie um die Abbildung eines realistischen Kostenrahmens ging. Vielmehr schien es darum zu gehen, mit einem vermeintlich übersichtlichen Kostenrahmen zu zeigen, dass der Weg der Finanzierung über eine erweiterte Herstellerverantwortung gangbar ist“, sagte Brakmann.

Hingegen verweist der VKU darauf, dass die im Sommer vorgelegte Studie die Kosten für den Ausbau und den Betrieb der vierten Reinigungsstufe explizit abgrenze und die Schätzung weiterhin sehr belastbar sei. „Was uns bisher fehlt, ist eine dezidierte Erklärung der Kritiker, wie sie zu ihren Schätzungen kommen, die aus unserer Sicht unrealistisch hoch sind“, sagte ein VKU-Sprecher.

Foto: Kläranlage (Archiv), über dts Nachrichtenagentur

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